Und es geht doch – PIAF Monomusical MARCEL aus Armenien feierte in Istanbul Geburtstagspremiere
2016 soll MARCEL erneut als Symbol multikulturellen Miteinanders gastieren
Bekanntermaßen ist das armenisch-türkische Verhältnis ein politisch gespanntes. Dass Musik und Theater in der Lage sind, internationale Brücken zu schlagen, politische Grenzen zu überwinden und den Glauben an die Kultur als Basis menschlichen Daseins und nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern als notwendige Bedingung zu verifizieren, bewies jüngst die Premiere des Piaf-Monomusicals MARCEL in Istanbul.
Als Hommage plante man zum 100. Geburtstag der französischen Chanson-Legende Edith Piaf (*19.12.1915) die Aufführung des Stücks über „die größte Liebe ihres Lebens“ zum Boxchampignon Marcel Cerdan in der Türkei, dies gleichzeitig als Zeichen, dass die Liebe zueinander, sei es zu einer Person, einem Land oder der Völker untereinander, Krieg, Tod, Tyrannei und unsäglichen Schmerz, einfach alles überdauern kann.
Marcel starb 1949 bei einem Flugzeugabsturz. Die Tragödie, die Edith durchlief, mündete in eine imaginäre, spirituelle Welt, um nach dem Tod mit ihrem Geliebten weiterhin kommunizieren zu können. So die Geschichte in diesem anrührenden gleichnamigen Bühnenstück. Jeder ihrer Lieder wird zu einem Gebet an ihren M-A-R-C-E-L, das einzig gesprochene Wort auf der Bühne. Die Protagonistin wird verkörpert durch die junge, bereits mehrfach ausgezeichnete Schauspielerin Mariam Ghazanchyan, die einer berühmten armenischen Theaterdynastie entstammt. Der Großvater, ein ebenfalls bekannter Schauspieler und Regisseur, war künstlerischer Direktor des Baronyan Theaters, Vater Hakob Ghazanchyan in gleicher Funktion beim Staatlichen Armenischen Jungendtheater, welches das Musical auch produzierte. Miriam schloss das Jerewan Film- und Theaterinstitute 2006 erfolgreich ab und übernahm zahlreiche Hauptrollen, mit denen sie u.a. in Deutschland (2010 Monodramafestival THESPIS, Kiel), Polen, Zypern, Mazedonien und Russland zu sehen war.
Der türkische Networker und Produzent Emre Erdem recherchierte Jahre lang über das türkisch-armenische Verhältnis im Theater, fand die Wurzeln in Gründung dieser Sparte durch armenische Schauspieler heraus, arbeitete mit dem ermordeten Aktivisten Hrant Dink und Hakob Ghazancyan, dem Präsidenten des ITI UNESCO Armenian Center und Vorsitzenden der Schauspieler Gewerkschaft und erfuhr letzteren als multikulturell und international offen, so dass er zum 2014 ITI UNESCO WORLD THEATRE CONGRESS nach Jerewan mit seiner Produktion, der ersten kurdischen Übersetzung von Samuel Becketts „Das letzte Band“ eingeladen wurde.
Dieser Freundschaft wollte er nun etwas Besonderes entgegen setzen. Er lud mit Hilfe von Jale Karabekir, der Leiterin des ersten türkischen Feministinnen Theaters (Tiyatro Boyalikus - Theatre Painted Bird), das Staatlich Armenische Jungendtheater mit dem Musical PIAF-MARCEL nach Istanbul. Erdem spricht von einer kulturellen Revolution, die er dadurch in der Türkei angefacht habe; die Medien nennen es einen „Triumpf, der im Stadtteil Sisli, im Herzen von Istanbul“ im ausverkauften Haus stattgefunden habe: 85% Türken, 10% Armenier und 5% Deutsche, Franzosen und Amerikaner zählte die Statistik. Tatsache ist, dass es sich um die erste armenische Produktion handelte, die in der Türkei aufgeführt wurde.
Mariam Ghazanchyan lebt, liebt und durchleidet in einem Dutzend Piaf-Songs ihre Liebe zu Marcel Cerdan. In der gelungenen Regie ihres Vaters agiert sie anrührend, ohne kitschig zu sein. Ein nonverbales, tragisch-schönes Stück Musical, das sicher durch die unsterblichen Chansons des „Spatz von Paris“ seinen Reiz ausübt. U.a. mit „Padam, Padam“, „Bravo“, „La Vie en Rose“ und „Je ne regrette rien“ vermittelt die Schauspielerin in ihrer französischen Song-Interpretation, durch sinnliche Stimme und Bühnenpräsenz die Botschaft vom Leid und der Unvergänglichkeit einer Liebe über den Tod hinaus. Die Inszenierung ist für 2016 in bei internationalen Festivals Georgien und Rumänien geplant und wird hoffentlich auch in Deutschland gastieren.
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