Internationale Treffen im rumänischen Nationaltheater Cluj-Napocca
Viel Lob für "9 Schandtaten und andere skandalöse Bilder aus der Geschichte Rumäniens" 

 

Seit vielen Jahren trifft sich das Team des Nationaltheaters Cluj mit namhaften Persönlichkeiten des rumänischen und europäischen Theaters im Herbst und offeriert jeweils ein Thema zur Reflexion und Diskussion, das für die jüngsten Premieren des Instituts, aber auch für die Aktualität jenseits der Bühne von Bedeutung ist.

2025 stand das viertägige Festival unter dem Motto "Schicksale". Die darin enthaltenen Aufführungen veranschaulichten auf jeweils eigene und einzigartige Weise die Verletzlichkeit des Menschen gegenüber den Launen des Schicksals, aber auch seine Kraft, sich seinem eigenen Schicksal zu widersetzen.

"Seit jeher bedient sich das Theater Geschichten, Allegorien oder Symbolen, um den Zuschauern sowohl universelle Wahrheiten als auch konkrete Situationen und Ereignisse zu vermitteln. Auch heute noch bekräftigt die dramatische Kunst ihre Mission, den kritischen Geist und die Solidarität der Gemeinschaft zu fördern und das Publikum zu ermutigen, seine Vergangenheit zu verstehen, in der Gegenwart zu handeln und seine Zukunft zu verändern.
Jede der neun Inszenierungen, unabhängig davon, ob sie kürzlich Premiere hatten oder während der Pandemie-Beschränkungen entstanden sind und nun in einem anderen soziokulturellen Kontext neu erfunden werden, beweist diese Superkraft des Theaters in einer Welt, in der seine Existenz immer notwendiger erscheint."
(Ştefana Pop-Curşeu, Künstlerische Leiterin des Nationaltheaters Cluj)

Im Euphorion Studio zeigte "Begebenheiten in der unmittelbaren Irrealität" nach Max Blecher unter der Regie von Tudor Lucanu durch einen surrealistischen Filter den Zerfall eines von Krankheit und Schmerz gezeichneten Bewusstseins. Dabei "kippte das Schöne ins Hässliche, das Niedliche ins Monströse." (Ernest Wichner, NZZ 09.12.03)
Das Drama "20 Jahre in Sibirien", inspiriert von den autobiografischen Schriften von Anița Cudla und unter der Regie von Sorin Misirianțu, sollte ein Zeugnis des Leids sein, das diktatorische Systeme verursachen, aber auch ein Plädoyer für Glauben und Beharrlichkeit.
Auf der anderen Seite behandelte "Schindler", ein Stück mit zwei Figuren, geschrieben und inszeniert von Dragoș Pop, die Kluft zwischen den Generationen auf unwiderstehlich komische Weise und spielt dabei geschickt mit sozialen Masken und ihrem Potenzial, uns zu täuschen.

In einem ganz anderen Register fasste "Gilgamesch", der letzte Teil einer Trilogie des türkischen Performers und Regisseurs Caglar Yigitogullari nach dem gleichnamigen Epos, den Kampf des Menschen mit dem Tod auf poetische und philosophische Weise zusammen, in einer performativen Reise, an deren Ende die Versöhnung mit sich selbst zu einer heroischen Geste wird. Hier beeindruckte die innige Ensemblearbeit mit dem Regisseur auch im letzten Teil der Trilogie.

Im Großen Saal boten "Die Dämonen. Die Beichte des Stawrogin", inszeniert und adaptiert von Tudor Lucanu nach dem Roman von Dostojewski, ein düsteres Bild der Folgen des ideologischen Radikalismus und der amoralischen Triebe, die ihn nähren.
In "Die wunderbare neue Welt des Herrn Harpagon" von Michele Santeramo, inszeniert von Roberto Bacci, gelang Molières Geizhals eine räumlich-zeitliche Flucht in unsere Welt, wo er sich als bombastischer Geschäftsmann neu erfand, dessen "unkonventionelle" Transaktionen die Abgründe menschlicher Verderbtheit offenbarten.
Mit "Sechs Personen suchen einen Autor" von Luigi Pirandello dekonstruierte Regisseur Tudor Lucanu auf der Bühne die formalen Unterschiede zwischen Fiktion und Realität und gab unvollendeten Leben eine Stimme. Die Kartenspieler von N.V. Gogol unter der Regie von Ionuț Caras entführten uns in eine Herberge im zaristischen Russland, wo wir Zeugen der Betrügereien in der schmutzigen Welt des Glücksspiels wurden .

Im Nationalmuseum für Geschichte Siebenbürgens wurde das wohl bedeutendste Ereignis des diesjährigen Treffens zum Leben erweckt.
Das zweiteilige Stück "9 Schandtaten und andere skandalöse Bilder aus der jüngeren Geschichte Rumäniens" eine Koproduktion von Create. Act.Enjoy und dem Nationaltheater Cluj-Napoca beeindruckte - nach Texten von Cosmin Stanila, Sasa Ceban und Ionut Caras, unter der Regie des Letzteren und des gesamten Teams - mit einer episodische Chronik der Laster der rumänischen Gesellschaft. Diese bedeutende Produktion sollte unbedingt den Schulen des Landes als Erinnerung und Mahnung zuteil werden.

Neben den Produktionen des Nationaltheaters kamen eine Ausstellung (in Zusammenarbeit mit dem Labor für digitale Theaterwissenschaft der Fakultät für Theater und Film) und zwei Installationen in Zusammenarbeit mit Reactor de creatie si experiment hinzu. Eine Konferenz der Internationalen Vereinigung der Theaterkritiker zusammen mit der Doktorandenschule der Fakultät für Theater und Film der UBB Cluj rundete die Internationalen Treffen in Cluj ab: Film, Video, digitale Technologie und künstliche Intelligenz auf der Theaterbühne.

Den Veranstaltern war es erneut gelungen, in einem offenen kulturellen Rahmen daran zu wirken, Vorurteile zu überdenken, Formen politischer oder moralischer Autorität zu hinterfragen, um Illusion von Gewissheiten zu verstehen und eines jeden Verantwortung gegenüber der Geschichte, die gerade geschrieben wird, akzeptieren zu können.


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