Sweeney Todd, Wiederaufnahme im Theater Aachen 


Der im viktorianischen London angesiedelte Horror-Groschenroman »Sweeney Todd: The Demon Barber of Fleet Street« (1841) bildete die Vorlage für Stephen Sondheim’s Musical.

 

... „Mit pointierter Schärfe erzählt die lustvoll makabre »black operetta« vom Protest gegen politische Willkür, Korruption und Profitgier. Das Unheimliche verband Sondheim mit viel Witz, einprägsamer Musik und tiefschwarzem Humor – ihm gelang damit ein riesen Erfolg …“
Und ein ebensolcher war auch die Wiederaufnahme im Theater Aachen.




Im Zirkusambiente hatte Regisseur Joan Anton Rechi das Stück angesiedelt, auf der Drehbühne von Gabriel Isignares - mal Zirkuszelt, Barbierstube, „Delikatessenladen“, oder gar Irrenhaus, gelang ihm, die wenigen Bewegungen, die die Vorgabe zulässt, in ein lebendiges, ja quirliges Ambiente umzusetzen. Dabei halfen optisch die Kostüme von Sandra Münchow. Mit einem mutigen „Griff in das Bonbonglas“ zauberte sie aus der dreckigen Atmosphäre Londons im 19. Jahrhundert eine skurril bunte, teils crossdress gewandete Gesellschaft.

 

Den optischen Genuss hob Hiroshi Ueno mit dem Sinfonieorchester Aachen in akustische Höhen. Und obenauf tanzten die Töne der Protagonisten Ronan Collett (Sweeney Todd) und einer ebenbürtigen Juliana Curcio (Miss Lovett). Nicht düster, mord- und geldgierig, eher bedauernswerte Typen einer verdrehten Gesellschaft bewiesen im zweiten Teil ihr Können im tragischen Opernfach. Mit dem Wunsch nach Liebe und Glück verliehen die beiden dem „schwarzen“ Stück einen zarten Hauch menschlicher Gefühle, deren Umsetzung die Realität nicht zuließ.

Fabio Lesuisse gab der Rolle des Matrosen Antony Hope eine durchgehend qualitätvolle Stärke, wunderbar harmonierend mit Rosha Fitzhowle als seine Angebetete Johanna Barker und Mündel von Richter Turpin. Den lieferte Pawel Lawreszuk überzeugend, versehen mit einer Portion Überheblichkeit, wie es die Rolle fordert. Patricio Arroyo wurde in der Rolle des angeblich italienischen Barbiers Adolfo Pirelli zum Showstopper des Abends. Er kam, sang und siegte mit heftigem Szenenapplaus.

Edward Lee zeigte sein Können als Büttel Bamford, Marcel Oleniecki bewies sein Talent als Buffotenor in der Rolle des Toby Ragg. Erst nachdem Todd die viel zu schöne und stimmlich starke Bettlerin (Aisha Tümmler) ermordet hatte, stellte sich heraus, dass es sich um die überlebende Ehefrau des Barbiers handelte, die angeblich vom Richter in Wahnsinn und Tod getrieben sein sollte.

Die tragische Geschichte wurde von Chören unter Leitung von Yori Klomp wie in einer griechischen Tragödie vorangetrieben, beziehungsweise in Höhen und Tiefen kommentiert, ausgezeichnet, punktgenau und mit einer offensichtlichen Spielfreude, die dem gesamten Team innewohnte.

So wurde aus einem zu erwartenden „Grusical“ - a la Tim Burton’s Verfilmung von 2007 - ein echter Hochgenuss (in sehr guter englischer Sprache) in Sachen Stephen Sondheim, der fast genau vor einem Jahr verstarb.


Licht Dirk Sarach-Craig

Sweeney Todd Ronan Collett
Mrs Nellie Lovett Juliana Curcio
Anthony Hope Fabio Lesuisse
Johanna Barker Rosha Fitzhowle
Tobias Ragg Marcel Oleniecki
Richter Turpin Pawel Lawreszuk
Beadle Bamford Edward Lee
Beggar Woman Aïsha Tümmler
Adolfo Pirelli Patricio Arroyo

 


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