Leo Blech „Alpenkönig und Menschenfeind“ - Ein schönes, notwendiges Stück auf Aachens Opernbühne
Dramatische Oper - von Humperdinck bis Wagner über Operette ist alles vorhanden.

 

(von Dieter Topp) „Irrer Misanthrop terrorisiert mit seiner Paranoia die Umwelt. Heilung ist angesagt, als ihm durch einen Rollenwechsel von außen vor Augen geführt wird, was im Leben wirklich zählt.“ Um 1902 verfassten Komponist Leo Blech und sein Librettist Richard Batka nach dem romantisch komischen Zauberspiel von Ferdinand Raimund mit Hilfe zeitgemäßer Neuerungen Blechs fünfte Oper „Alpenkönig und Menschenfeind“.

Die Uraufführung am Dresdner Hoftheater 1903 wurde ein Sensationserfolg. Dann kam das Verbot all seiner Musik durch die Nazis. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft verschwanden seine Stücke in den dreißiger Jahren von den Spielplänen der Theater- und Konzerthäuser. Jetzt feiert die Geburtsstadt Aachen ihren Komponisten und Kapellmeister erneut am Stadttheater, wo auch seine erste Oper "Aglaja" im Oktober 1893 und im darauf folgenden Jahr "Cherubina" uraufgeführt wurden, mit der Wiederentdeckung von „Alpenkönig und Menschenfeind“, einem der Hauptwerke des Komponisten. Endlich wurden Künstler und Werk in Aachen wieder rehabilitiert.

Blech ist der spätromantischen Ästhetik verpflichtet und verweist nicht selten auf märchenhafte Szenerien, die sich während des 19. Jahrhunderts besonderer Beliebtheit erfreuten. Beim schwelgerisch ausgiebigen Vorspiel treffen Anklänge an Carl Maria von Weber und Engelbert Humperdinck - bei letzterem er seine Ausbildung in den 1890ern vertiefte - schmeichelnd ans Ohr des Zuhörers. Auch die Liebe Blechs zu Wagner und Richard Strauss bleibt unverborgen. Sehr gefällig schwelgt der in Aachen geborene Komponist und Kapellmeister durch die Partitur der Stile. Sein heutiger junger Kollege Hiroshi Ueno macht am Dirigentenpult des Sinfonieorchesters Aachen etwas nervös den dichten Orchestersatz transparent und wird dabei ebenfalls nie trivial.

Nach 1900 wurde der zunächst negativ konnotierte Begriff Biedermeier eher wertneutral aufgefasst, er stand für eine kleinbürgerliche Kultur der Häuslichkeit und der Betonung des Privaten. Das haben Ute M. Engelhardt (Regie) und Henriette Hübschmann (Bühne und Kostüme) versucht zu abstrahieren. Leider mit wenig Erfolg. Die statuarische Regie tut sich schwer, dem musikalischen Flow der Stile ebenbürtig zu sein, da waren besonders in den dramatischen Parts Einfälle gefragt. Die Protagonisten waren sehr alleine gelassen. Schwarze Pferde auf den bösen Seite, weiße Rösser für das Gute - die Pferdestadt des CHIO gibt sich die Ehre in einer ansonsten kargen Bühne, wo es einige Lücken gibt. Entweder ganz abstrakt oder gar nicht! Da umflattern riesige Schmetterlinge ein aufbäumendes, weißes Pferd mit dampfenden Nüstern und eine überdimensionale Rose entfaltet ihre farbigen Blätter zum farbigen Finale.

Die Protagonisten machen allesamt einen guten Job. Ronan Collett gibt einen majestätisch gewaltigen Alpenkönig. Paul Armin Edelmann singt den Rappelkopf eher zu weich, wohin Sabine, seine Frau (Irina Popova) ihn dank ihrer gewaltigen Stimme in die Schranken verweisen könnte, wenn man sie nur ließe. Tochter Marthe (Netta Or) begeistert mit lyrischem Sopran, ihr angebeteter Musiker Hans (Soon-Wook Ka) darf ansatzweise ausspielen, wozu sein Tenor fähig ist. Den beiden Bediensteten Lieschen ( Anne-Aurore Cochet) und Habakuk (Joshua Owen Mills) gelingt als herrlich spitze Soubrette und ihrem lustig luftigen Tenor der operettenhafte Part des Stücks vollkommen und publikumswirksam. Die vielversprechende Stipendiatin Ayaka Igarashi verleiht ihrer Rolle als Frau des Tischlers und Dorfmusikanten Veit Meinhart (einem bäuerlich beschwingten Bass Pawel Lawreszuk) einen glaubwürdigen Charakter, stark unterstützt von ihrer Tochter Susel (Jelena Rakic).

Fazit: Diesen Alpenkönig wünscht man sich heute wieder, denn wie viele Tyrannen könnten auf der Welt geheilt werden … und über dem Eingang zum Theater empfängt der Satz von Henry Miller. "Jeder Krieg ist eine Niederlage des menschlichen Geistes."


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