7. Internationales Monodrama Festival im arabischem Emirat Fujairah wurde zum 1. Internationalen Festival der Künste

http://localhost/kfe/kfe-admin/load_images/news/2F00web.jpgWährend Dubai neben Abu Dhabi zu den bekannten Emiraten der VAE gehört, liegt Fujairah noch brach vom internationalen Tourismus. Seine Kulturgüter dämmern im Verborgenen. Nur dann und wann finden Insider den Weg  über das Gebirge. So erging es auch dem Chronisten. Bares Erstaunen überwältigt den Besucher, wenn er über die neue Schnellstraße vom Flughafen Dubai nach 1,5 Stunden Fahrt durch kahle Gebirgslandschaft in ein weites Tal eintaucht, erste Dörfer und kleine Städtchen sich auftun und ihn schließlich der Golf von Oman in der Sonne blendet. Weder Hochhäuser, Schnellstraßen und Prunkhotels noch hektischen Menschenmassen, die vor der Hitze in die Shopping Malls fliehen: Ankunft in Fujairah, eines der sieben Emirate östlich des Hadschar-Gebirges, mit ca. 1165 km² ungefähr halb so groß sind wie das Saarland, an der Ostküste der Vereinigten Arabischen Emirate. Ca. 145.000 Menschen leben hier, davon alleine etwas über 100.000 in Fujairah Stadt.

Der Tourismus wächst langsam, aber stetig im Schatten Dubais, man unterbietet die Boom-Stadt oft preislich bei gleicher Hotelleistung. Das eigene Angebot an speziellen touristischen Zielen ist noch bescheiden. Als eine Investition in den touristischen Ausbau ging in diesem Jahr das 1. Internationale Festival der Künste Ende Februar zu Ende, ein Reigen unterschiedlichster Darbietungen von arabischer Folklore und Pop-Gesangsstars bis hin zu einem internationalen Monodrama Festival, einer Theaterbiennale, die sich heuer zum 7. Mal jährte.

Fujairah International Monodrama Festival: Ein außergewöhnliches arabisches Kulturphänomen

Einmal alle zwei Jahre verwandelt die Fujairah Culture and Media Authority die Region zwischen Fujairah und dem 50 Km entfernten Dibba in ein Treffen internationalen Kulturschaffens im Rahmen von Monodrama-Vorstellungen, einer Sparte des weltweit agierenden Internationalen Theaterinstituts ITI, UNESCO, mit Sitz in Paris. In Fujairah wird das Ziel verfolgt, arabisches und internationales Theaterschaffen miteinander und untereinander, so wie für die Region und ausländische Gäste zu präsentieren, darüber hinaus junge Talente zu finden und in ihrer Karriere zu fördern.

„Die Idee entsprang dem wachsenden Interesse an der Kunst des Theaters in den Vereinigten Arabischen Emiraten und speziell in Dibba Al Fujairah“, so Mohamed Saif Alafkham, Festival Manager, Chef der Fujairah Kultur- und Mediengesellschaft (FCMA) und Präsident von ITI Worldwide. Man wolle 2016 Fujairah durch einen Megaevent mit Teilnehmern und Gästen aus über 55 Ländern kulturell aktiver gestalten und dazu noch etwas Positives in Sachen Monodrama Kunst weltweit bewegen. „Die Durchführung wird unterstützt von SH Sheikh Hamad bin Mohammad Al Sharqi, dem Herrscher von Fujairah. Das Festival beherbergt Theater der Welt aus Bereichen von Musik, Darstellenden Künsten, Theater, traditioneller Kunst, etc. …“, so Alafkham weiter. „Die beiden Theater in Dibba zeigen Monodrama-Vorstellungen, die Orte Masafi und Tuwayyain warten mit traditioneller Musik auf. Eine eigens errichtete Großbühne an der Corniche bietet mehr als 1.000 Besuchern allabendlich Gesangs– und Musikevents. Konferenzen, Workshops und Panels runden das Festival ab.” Eine win-win Situation sieht die FCMA: zum einen Austausch in Sachen Kunst und Kultur, andererseits das Werben für den doch so wichtigen Kulturtourismus.

Und da scheint die Rechnung von Fujairah aufzugehen. Aus der Türkei, Ägypten, Tunesien und Marokko wandern aus Sicherheitserwägungen ungezählte Urlauber ab. Die Preise in anderen Destinationen wie Thailand sind enorm gestiegen, so dass ein Aufenthalt in einem Emirat zukünftig näher rückt. Und so etablieren die großen internationalen Hotelketten ihre Mittel- und Luxusklasseresorts auch in Fujairah. Jeder Tourist ist willkommen, denn er zählt. Alafkham sieht seine Aufgabe dezidiert im Miteinander: „Wir bauen kulturelle Brücken, um die Menschen hierher zu bringen, sie miteinander zu verbinden sowohl auf der Basis der Künste wie auch dem Kulturtourismus. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, ein zivilisiertes Bild der Emirate und seiner Bewohner den arabischen und internationalen Festivaldelegationen an Hand des Festival zu präsentieren. Unsere Bewohner sollen den Festivalgästen und -teilnehmern begegnen und von dieser Vielfältigkeit partizipieren“.

Ein großes Ziel, das man sich im Emirat von Fujairah gesteckt hat. Seit 14 Jahren nun arbeitet man daran und mit dem 1. Internationalen Festival der Künste ist man 2016 dem einen großen Schritt näher gekommen. So sahen es auch die zahlreichen Gäste im breiten Fächer der Festivalangebote.

Eröffnet wurde mit einem Musical voller Stolz und Pathos über den „Aufstieg zum Ruhm“ der Emirate. Aus Marokko kam „Amchouta“, ein bemerkenswertes Stück über eine Kellnerin in einem Kaffee in Tanger, die schwanger und den Gästen unzumutbar, also unbrauchbar wird. Sie revoltiert, nimmt ihren Chef gefangen und baut sich als Frau ihre eigene Existenz auf. Ein starkes Stück Feminismus auf Nordafrikanisch mit einer ausgezeichneten Jalila Talemsi, ganz groß auch in der Improvisation. „Meera“ (Souad Janati) stellte Puppen her und verkaufte sie: ein algerisches Märchen von Arbeit, Traum und der Erwartung von Liebe. „Der Geschichtenerzähler“ hieß Al Fedaw (Tunesien), darüber hinaus ist er Poet und Sänger. Wie er seine Geschichten darbot, mutete nostalgisch an und nahm die Zuschauer mit in eine vergangene Zeit. Aus dem Libanon brillierte Rawan Halawi, eine Frau und weitere Persönlichkeit in Sachen Feminismus. Ihr Leben war und ist der Barhocker, dem sie sich - auch im privaten Leben - zutiefst verbunden fühlt. Eine Spinne im überdimensionalen, allumfassenden Netz, „Lady Macbeth“: Die mongolische Schauspielerin Sarantuya schöpft mit dieser Vorstellung seit vielen Jahren rund um die Welt ihre Kraft und Macht, den Aufstieg einer Frau nach Shakespeares Drama, die über Leichen geht und im Gespräch mit dem abgeschlagenen Kopf ihre Gatten schließlich dem Wahnsinn verfällt.

Italien vertrat Luigi Guerrieri, Finnland Taina Mäki-Iso, beide mit Stücken mehr surrealer Provenienz. Ganz poetisch hingegen traten die VAE mit „Der Elegie der fünften Saite“ auf, einer Eigenproduktion der FCMA. Abdulla Masoud agierte unter der Regie von Firas Al Masri: „Um das Leben zu bewahren, spiele ich die Akkorde der Liebe, Toleranz, Kreativität, Schönheit und des Friedens“. Lange Diskussionen  - besonders unter den arabischen Gästen - zeigten die exemplarische Bedeutung einer derartigen Vorstellung auf. Olga Kosterina aus Russland bewies mit „Dilemma“ ihre gekonnt zirzensische Leistung gepaart mit einer perfekten Lichtschau. Die spanisch argentinische Koproduktion „Bluthochzeit“ mit María Vidal forderte sich und das Publikum heraus mit einer Mischung aus Gesang, Flamenco, zeitgenössischem Tanz und Video-Produktion nach Garcia Lorca und seiner Inspiration von „Mond“ und „Braut“ und Federico selber als Hauptdarsteller in einem tödlich endenden Drama.

Erwähnenswert sind unbedingt die Sängerinnen Tamela Hedstrom aus Costa Rica und Abeer Nehme aus dem Libanon, ihr arabischer Megastar-Kollege Kadim Al Sahir, die Band True Faith von den Philippinen, traditionelle Tanztruppen aus Saudi Arabien, Jordanien, Ägypten, Oman, Brasilien, Spanien, Japan, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Marokko und Georgien, die als Botschafter ihrer Länder auf der großen Bühne am Meer in Fujairah tausende Besucher begeisterten.

Mit drei exzeptionellen Gastbeiträgen mag dieser Bericht abgerundet werden.

Mariam Ghazanchyan glänzte mit starker Stimme live im Musical „Marcel“. In der Rolle der unsterblichen Edith Piaf besang die Armenierin deren Trauer um den verlorenen Geliebten Marcel Serdan, der bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam.

Der ORPHEUS kam als Überraschung in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE)

Nach dem bejubelten Auftritt beim Festival der Künste in Fujairah (VAE) erhielt Mariam Ghazanchyan (
mit Impresario Emre Erdem r.) einen druckfrischen ORPHEUS von Dieter Topp überreicht, der ausführlich im MusikTheater Magazin 1/2.2016 berichtet hatte. „Tausend Dank!!! Mein schönstes Bühnengeschenk, das ich jemals erhalten habe“, postete sie anschließend auf Facebook. (Foto: Said Al-Nahwi )

Der bekannte und mehrfach ausgezeichnete englische Darsteller Pip Utton brillierte im Monodrama „Playing Maggie“. Er schlüpfte nicht nur in die Figur der Politikerin Margaret Thatcher; er war Maggy. Und letztlich stand er dem Publikum als eben diese Rede und Antwort zu politischen Fragen von damals und heute: ein Meisterwerk der Selbstinszenierung, das vom Festival mit dem Preis für den besten Beitrag 2016 und einem Betrag von 5.000 Dollar verdientermaßen ausgelobt wurde.

„Rumination“ lautete der Titel einer Koproduktion der FCMA, dem Fujairah International Festival und dem Painted-Bird Theater Istanbul. Es feierte am 21. Februar Weltpremiere im Dibba Theater und war sicherlich eines der multi-poetischsten Darbietungen beim Festival. Nach dem großen alten persischen Schriftsteller und Philosophen Rumi wurden sieben seiner Kernaussagen non-verbal auf die Bühne gebracht. Unter der Regie von Emre Erdem tanzte der Ballerino Mehmet Nuri Arkan vom Istanbuler Opern-Ballett. In einer Mischung aus klassischem und zeitgenössischem Tanz (Choreografie Ebru  Cansiz, Bühne und Kostüm Özüdogru Cici, Dramaturgie und Licht Design Jale Karabekir) konnte der Solist seinen tänzerischen Fächer ausbreiten. Er gab dem Publikum den Genuss von hohen Sprüngen, die er aus dem Stand meisterte. Ohne merkbaren Kraftaufwand federte er scheinbar schwerelos über den Bühnenraum, um dann in Derwisch-Drehungen wieder Bodenhaftung zurück zu gewinnen. So transponierte er in einem Epilog und sieben Phrasen Rumi in die Zuschauerschaft: Sei wie ein Fluss der Großzügigkeit und Hilfe für Andere, wie die Sonne voll Mitgefühl und Gnade, wie Nacht, wenn es um das Verbergen von Fehlern Anderer geht. Bei Ärger und Wut, sei wie der Tod; in Bescheidenheit und Demut gleiche der Erde; in Toleranz gleiche dem Meer. Entweder existiere vor dich hin, wie du bist oder sei, was du erfahren hast.

Überdimensionalen Granatäpfeln wohnten diese philosophischen Gedanken von der Bühnen schwebend optisch inne. Sie enthielten die unzähligen Weisheiten Rumis und dem Zuschauer eröffnete sich jeweils ein winziger Einblick in das Reich alt-persischer Weisheiten an Hand von sieben glanzvollen Granaten, in denen sich der Tänzer wie ein Juwel offerierte. Er schien dem Granatapfel erschaffen zu sein, wenn er zu einem Mix aus Weltmusik, Sufi und ethnisch arabischen Klängen aus dem Mittleren Osten oder Elektroversionen von Mozart und Schubert das Publikum verführte.

Diesem Festival al Fujairah (www.fiaf.ae) sei alle zwei Jahre internationaler Zustrom gewünscht.

Fotos: Said Al-Nahwi 


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